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11/5/21

Finanzpolitik Aktuell

Ausgabe November 2021

Regierungsbildung: Auf dem Weg zur Ampel

Die mögliche Ampel-Koalition hat mit ihrem Sondierungspapier erste inhaltliche Pflöcke eingeschlagen. Die Finanzmarktpolitik wurde dabei ausgespart. Dies ist ein Bereich, der für viele im Wirtschaftsleben, und auch für die deutschen Genossenschaftsbanken besonders relevant ist. Fest steht: Will die selbst ernannte "Fortschrittskoalition" ihre Investitionsoffensive zünden, braucht sie starke Kreditinstitute und muss dafür die richtigen politischen Weichen stellen. Dazu gehört aus Sicht der deutschen Genossenschaftsbanken in der derzeitigen Situation auch eine eindeutige Absage an eine europäische Einlagensicherung, denn andere Themen sind für das gute Funktionieren einer europäischen Bankenunion vordringlich zu lösen.

Die Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und FDP laufen. Der Zeitplan ist ambitioniert: Bereits im De­zember soll das neue Dreierbündnis stehen. Doch auch die inhaltliche Zielsetzung der möglichen Ampel-Koali­tion ist anspruchsvoll. Sie hat sich nicht weniger vorge­nommen als „die Weichen für ein Jahrzehnt der sozia­len, ökologischen, wirtschaftlichen, digitalen und ge­sellschaftlichen Erneuerung [zu] stellen.“ Für die deut­schen Genossenschaftsbanken ist wichtig, welche fi­nanz- und wirtschaftspolitischen Reformen zu erwar­ten sind. Ein Ansatzpunkt liefert das Sondierungspa­pier, das wir als BVR ausgewertet haben. Hier ein Aus­schnitt wirtschaftsrelevanter Thematiken:

Europa: Im Sondierungspapier wird der Aufschwung in Europa nach der Pandemie und zur Klimaneutralität auf Grundlage solider und nachhaltiger Staatsfinanzen skizziert. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt wird als flexibel genug angesehen, um Wachstum, Schuldentragfähigkeit und nachhaltige Investitionen sicherzustellen. Unser Fazit fällt gemischt aus. Von einer notwendigen Überarbeitung der viel zu komplizierten EU-Fiskalregeln ist keine Rede. Ebenfalls wird das Thema der europäischen Bankenunion ausgelassen. Hier bleibt abzuwarten, was der finale Koalitionsvertrag mit sich bringt. Der BVR setzt sich insbesondere dafür ein, dass im Finanzbereich Risiko und Haftung nicht auseinanderfallen. Dazu gehört der Erhalt der Institutssicherung und derzeit die klare Absage an eine europäische Einlagensicherung. Entscheidend für die Stärkung der Bankenunion ist die Überwindung der Fragmentierung des Finanzbinnenmarktes, die nicht im Wege der Vergemeinschaftung der Einlagensicherung erreicht wird. Hierfür muss die weiterhin bestehende Home-Host-Frage (sprich: Gastländer verlangen zusätzliche Eigenkapitalanforderungen von Bank-Töchtern aus anderen europäischen Staaten) vorrangig geklärt werden.
 

Moderner Staat und digitaler Aufbruch: Nach Vor­stellung der Sondierer sollen Verwaltungs-, aber auch Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich be­schleunigt werden. Verfahrensdauern sollen halbiert werden und die notwendigen Entscheidungen dafür, also z. B. ein Planungsbeschleunigungsgesetz, bereits im ersten Regierungsjahr getroffen werden. Das be­grüßen wir. Priorität muss neben der konsequenten Beschleunigung und des Bürokratieabbaus, der Aus­bau der digitalen Infrastruktur haben. Die Digitalisie­rung der öffentlichen Verwaltung sollte Unternehmen und Gründer Erleichterungen bringen, indem alle er­forderlichen Informationen bürokratiearm nur einmal gebündelt übermittelt werden müssen.
 

Rente und Altersvorsorge: In der gesetzlichen Ren­tenversicherung soll der Einstieg in eine teilweise Kapi­taldeckung begonnen werden. Das ist ein grundsätz­lich richtiger Ansatz In jedem Fall sollte das Geld zur Kapitaldeckung renditeorientiert, ohne allzu viele Aus­schlusskriterien angelegt werden, um so möglichst po­sitive Ergebnisse für die öffentlichen Finanzen zu errei­chen. Gravierender könnten die Pläne im Bereich der privaten Altersvorsorge aussehen. So soll die Einrich­tung eines Staatsfonds geprüft werden, der den Bür­gern ein Altersvorsorgeprodukt anbietet. Zwar soll es einen Bestandsschutz für bestehende Riester-Verträge geben, die Zukunft von Neuverträgen bleibt jedoch ungewiss. Dies sehen wir kritisch. Der einfachste und auch beste Weg, die private Altersvorsorge zu fördern, liegt darin, die Riester-Rente weiterzuentwickeln. Komplexität und bürokratische Anforderungen müs­sen dafür deutlich verringert werden. Produkte zur pri­vaten Altersvorsorge sollten weiterhin ausschließlich durch private Anbieter angeboten werden. Die Einfüh­rung eines öffentlich verantworteten Fonds halten wir daher nicht für geeignet.
 

Wirtschaftspolitik: Im Bereich der Wirtschaftspolitik sollen Gründungen und Unternehmertum gefördert werden, etwa durch eine entbürokratisierte Innovati­onsförderung und -finanzierung. Wir begrüßen die ge­planten Erleichterungen von Gründungen und Innova­tionen. Wichtig für die Investitionstätigkeit sind auch die klassischen Kreditvergabemöglichkeiten der Ban­ken, gerade für mittelständische Unternehmen. Um diese zu sichern, sollten die in der Krise gewährten auf­sichtsrechtlichen Erleichterungen nicht vorschnell auf­gehoben werden. Die Wichtigkeit der Kreditfinanzie­rung darf auch nicht bei der Umsetzung der Basel III/IV Regeln vernachlässigt werden.
 

Steuerpolitik: Die Steuerpolitik ist eines der kontrover­sesten Themen zwischen den Ampel-Partnern. Als Kompromiss wurde sich auf eine Absage an neue Sub­stanzsteuern, wie einer Vermögensteuer, oder Erhö­hungen bei der Einkommen-, Unternehmens- oder Mehrwertsteuer geeinigt. Eine Änderung bei der Erb­schaftsteuer wäre damit aber noch möglich. Um die In­vestitionen jedoch anzukurbeln, wurde sich auf Super­abschreibungen für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung verständigt. Zusätzlich soll die Steuerbü­rokratie spürbar verringert werden. Als BVR begrüßen wir die Absage an neue oder erhöhte Substanzsteuern und die geplanten Super-Abschreibungen. Jedoch be­dauern wir, dass eine dringend notwendige Unterneh­menssteuerreform weiter ausbleibt.
 

BVR-Position:

  • Das Hochfahren vor allem privater Investitionen ist wichtig. Der Investitionshochlauf braucht aber starke Banken, für die die Politik gute Rahmenbe­dingungen schaffen muss. 

  • Unsicherheit ist Gift für Investitionen. Wir lehnen daher jegliche Form der Vergemeinschaftung der Einlagensicherung in Europa ab, weil andere As­pekte der Bankenunion viel dringender sind und die Voraussetzungen für eine Vergemeinschaf­tung der Einlagensicherung fehlen. Die bewährten Systeme wie die deutschen Einlagen- und
    Insti­tutssicherungssysteme
    sichern einen sehr hohen Sparerschutz, genießen höchstes Vertrauen und müssen erhalten bleiben.

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BVR - Nov 5, 2021, 12:00:00 PM
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