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9/23/20

Finanzpolitik Aktuell

September 2020 - Europa-Ausgabe

MIFID II - KOM-Vorschlag überwiegend positiv

Im Juli 2020 veröffentlichte die Europäische Kommission (KOM) im Rahmen ihrer Maßnahmen zur wirtschaftlichen Erholung einen Vorschlag für dringende Anpassungen des europäischen Rechtsrahmens für Wertpapiergeschäfte (MiFID II). Der BVR unterstützt den Vorschlag, denn er ist kundenfreundlich und vereinfacht die durch MiFID II übermäßig komplex gewordenen Abläufe im Wertpapiergeschäft. Dennoch gibt es aus Sicht des BVR an einigen Stellen Nachjustierungsbedarf.

Insbesondere die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Erleichterungen für das im Zuge der Coronakrise in der Bedeutung gestiegene Telefongeschäft sind sachgerecht. Auch die Erleichterungen bei Kosteninformationen für Geschäfte mit professionellen Kunden und geeigneten Gegenparteien (zum Beispiel im Interbankenhandel) stellen einen wichtigen Beitrag zum Bürokratieabbau dar. Sie sollten - über den bisherigen Regelungsvorschlag hinaus - auch bei der Anlageberatung und Vermögensverwaltung sowie für weitere gesetzliche Pflichtinformationen gelten, um eine effektive Entlastung zu erreichen und die MiFID II an bereits bestehende andere EU-Regeln anzugleichen. Darüber hinaus ist auch der geplante Vorrang der elektronischen vor der papierhaften Information ein wichtiger positiver Schritt. Für die flächendeckende Umstellung muss den Finanzinstituten jedoch eine gewisse Flexibilität eingeräumt werden, um allen Kunden gerecht werden zu können. Auch um die dafür notwendigen technischen Vorkehrungen treffen zu können, sollte der Wechsel zur elektronischen Information in erleichterter Form zwar möglich sein, aber erst zu einem späteren Zeitpunkt (z. B. nach zwei Jahren) verpflichtend werden.

Der BVR begrüßt auch die Ausnahme von den Pro- duct Governance-Anforderungen für Unternehmensanleihen mit einer sogenannten Make-Whole-Klausel, die es dem Anleger erlaubt die Anleihe von seiner ursprünglichen Fälligkeit zu kündigen. Es gibt jedoch keinen Grund dafür, dass Unternehmensanlagen anders behandelt werden als Bankanleihen. Der BVR spricht sich daher dafür aus, die Ausnahme von den Product Governance-Anforderungen auf Plain Vanilla Bonds auszuweiten, die sich nicht als PRIIP qualifizieren.

Weiterhin schlägt die Kommission weitreichende In- formationspflichten für Vermögensverwalter beim Produktwechsel (Portfolio-Anpassungen) vor, die weit über die aktuellen Regeln hinausgehen. Dabei ist zu beachten, dass der Kunde den Vermögensverwalter eigens dazu beauftragt Investmententscheidungen für ihn zu treffen. Die vorgeschlagenen Informations- pflichten beim Produktwechsel sollten daher auf die Anlageberatung beschränkt werden.

Im Bereich der Regelungen zu Best Execution begrüßt der BVR die Aussetzung der Ausführungsqualitätsberichte (RTS 27), da diese für einen hohen monetären und administrativen Aufwand sorgen, in der Praxis aber – wie auch von der Europäischen Kommission erkannt –  keinen Mehrwert bieten. Dies gilt auch für die sogenannten Top 5-Berichte (zu Ausführungsplätzen und Wertpapierfirmen) sowie den Jahresqualitätsbericht (RTS 28), die folglich ebenfalls ausgesetzt werden sollten.

Der von der Kommission geplante Zeitplan ist zu knapp, den Finanzinstituten lediglich drei Monate Zeit zu geben, um die neuen Regelungen umzusetzen. Dies würde die Institute vor große Herausforderungen stellen. Die 12-monatige Umsetzungsfrist sollte deshalb zu gleichen Teilen zwischen Mitgliedsstaaten und Finanzinstituten aufgeteilt werden, so dass beiden Seiten eine Frist von sechs Monaten eingeräumt wird.

BVR-Position:

  • Der Vorschlag ist insgesamt positiv. Es besteht jedoch Nachjustierungsbedarf.
  • Der Wechsel zur elektronischen Information sollte möglich, aber erst später verpflichtend werden.
  • Die Ausnahme von den Product Governance-Anforderungen muss auf Plain Vanilla Bonds ausgeweitet werden.
  • Informationspflichten beim Produktwechsel sollten sich auf die Anlageberatung beschränken.
  • Die Aussetzung der Best Execution-Berichte muss auf die RTS28-Berichte ausgeweitet werden.
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Überarbeitung der Prospekt-Verordnung

Das Maßnahmenpaket der Kommission für die Erholung der Kapitalmärkte enthält zudem einen Vorschlag zur Überarbeitung des Prospektrechts, durch den u. a. die Schaffung eines kürzeren und vereinfachten „Wiederaufbau-Prospekts“ ermöglicht werden soll. Der BVR befürwortet diese Art des Prospekts ausdrücklich. Die aktuell von der Kommission vorgesehene Einschränkung auf die Emittenten, deren Aktien bereits an einem regulierten Markt gehandelt werden, wird allerdings kritisch gesehen. Eine prospektrechtliche Erleichterung jedenfalls für den Fall, dass Aktien oder Bezugsrechte nur im bestehenden Aktionärskreis angeboten werden, ist daher notwendig.

Darüber hinaus sieht der Kommissionsvorschlag vor, dass die Verpflichtung des Finanzintermediärs, seine Kunden über einen veröffentlichten Nachtrag zu informieren, nicht mehr taggleich, sondern am nächsten Arbeitstag gilt. Diese Anpassung begrüßt der BVR ausdrücklich, denn sie stellt mit Blick auf die komplexen technischen Umsetzungsprozesse eine große Erleichterung für den Markt dar.

Die zudem vorgeschlagene Anhebung des Schwellenwertes für prospektfreie Emissionen für Daueremittenten von 75 Millionen auf 150 Millionen Euro wird vom BVR ebenfalls unterstützt. Die aktuell angeregte Befristung auf 18 Monate würde dessen Nutzen allerdings deutlich einschränken, denn die Folgen der Krise werden sich voraussichtlich erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung vollends materialisieren. Zum Zwecke der nachhaltigen Erleichterung der Refinanzierungsmöglichkeiten ist eine Entfristung daher zwingend erforderlich.

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Überarbeitung der Benchmark-Verordnung

Die Europäische Kommission hat im Juli 2020 ihren Vorschlag für eine Überarbeitung der Benchmark-Verordnung veröffentlicht. Ziel ist es die Schaffung eines Ersatzreferenzwertes für kritische Benchmarks zu ermöglichen, die nicht weiterbestehen. Der BVR begrüßt den Ansatz der Europäischen Kommission, denn er bietet den Marktteilnehmern die Möglichkeit sich bilateral auf einen verordnungskonformen Ersatzreferenzwert zu verständigen. Der Gesetzesvorschlag bleibt allerdings hinter der geplanten vollständigen Überarbeitung der Benchmark-Verordnung zurück. Die noch existierenden Probleme im Zusammenhang mit der Verordnung - wie beispielsweise die fehlende Übersichtlichkeit des ESMA-Registers für Benchmarks - sollten im weiteren Gesetzgebungsverfahren überarbeitet oder alternativ im Rahmen einer weiteren Überprüfung noch innerhalb des nächsten Jahres adressiert werden.
 

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BVR - Sep 23, 2020, 12:00:00 PM
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