Herr Dr. Bley, warum sind die Zinsen schon seit Jahren so niedrig wie nie zuvor?
Dr. Andreas Bley: Das liegt vor allem an der Europäischen Zentralbank, die die Geldpolitik für die 19 Länder des Euroraums gestaltet. Ihre Aufgabe ist es, für stabile Preise zu sorgen. Dazu beeinflusst sie die Menge an Geld, die den Banken und letztendlich auch den Unternehmen und Privathaushalten zur Verfügung steht. Ein wichtiges Steuerungsinstrument hierfür ist der EZB-Leitzins. Ist der Leitzins niedrig, hat das beispielsweise negative Auswirkungen auf die Verzinsung von Spareinlagen.
Was ist der Grund für die Niedrigzinspolitik der EZB?
Bley: Die EZB möchte mit dem billigen Geld die Konjunktur ankurbeln. Billiges Geld führt normalerweise zu mehr Investitionen, beispielsweise in Wohnimmobilien. Die höheren Ausgaben führen dann zur Erhöhung aller Preise. Die EZB möchte, dass die Preise um knapp zwei Prozent steigen, doch das ist ihr bislang nicht gelungen.
Welche Konsequenzen ergeben sich daraus?
Bley: Minuszinsen sind schlecht für das traditionelle Bankgeschäft. Das Problem ist: Haben die Banken mehr Einlagen als sie Kredite vergeben, legen sie das Geld bei der EZB an und müssen hierfür einen Strafzins zahlen, der im Moment minus 0,4 Prozent beträgt. Dadurch entstehen den Banken Verluste.
Wie fällt denn Ihr Fazit nach fünf Jahren aus?
Bley: Die großen Verlierer sind die Sparer. Bei ihnen ist es so, dass die Einlagenzinsen meistens nahe Null liegen. Früher hat ihnen der Zinseszinseffekt beim Sparen geholfen, heute fällt er komplett weg. Deswegen muss eigentlich noch mehr vorgesorgt werden fürs Alter, gleichzeitig ist es aber frustrierend, zu so ungünstigen Konditionen anzulegen.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat angekündigt, dass sie ihre Geldpolitik im September noch einmal verschärfen will. Womit müssen wir da konkret rechnen?
Bley: Viele hatten gehofft, dass die Zinsen bald wieder steigen werden, doch ist eine Zinswende nicht mehr in Sicht. Im Gegenteil: Die EZB überlegt, die Zinsen noch weiter ins Minus abzusenken. Bisher haben die Banken die Negativzinsen nicht an den durchschnittlichen Privatkunden weitergegeben. Das wird aber in der Zukunft vielleicht nicht mehr so leicht möglich sein.
Es kann aber doch nicht das Interesse der Banken und Sparkassen sein, den Kunden auch noch für ihr Erspartes Geld abzuknöpfen, oder?
Bley: Nein, das ist nicht das Interesse der Banken. Deswegen haben ja die Banken bislang trotz der Minuszinsen den durchschnittlichen Privatkunden vor diesen Auswirkungen bewahrt. Doch in Zukunft könnte sich das ändern, denn wenn die Zinsen noch weiter ins Minus sinken, ist es für die Banken schwierig, die Konditionen aufrecht zu erhalten. So steigt natürlich dann der Frust: Einerseits bei den Sparern, die immer schlechtere Konditionen bekommen, andererseits bei den Banken, die keine ausreichenden Erträge mehr erwirtschaften können.
Welche Alternative haben Sparer für ihre Altersvorsorge?
Bley: Auf jeden Fall ist es wichtig zu wissen, dass ein Bankkunde sich nicht damit abfinden muss, dass die Zinskonditionen so schwach sind, denn es gibt interessante Alternativen zum Tagesgeldkonto oder Sparbuch. Beispielsweise ist es möglich, ein Teil seines Geldes in Aktien oder Fonds zu investieren. Hierbei ist guter Rat wichtig. Wir raten deswegen allen Bankkunden, das Gespräch mit ihrem Berater zu suchen.
Was halten Sie von dem Vorschlag des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, Negativzinsen für Sparer gesetzlich zu verbieten?
Bley: Ich halte das für keine gute Idee. Generell denke ich, dass hier gesetzliche Verbote nicht weiterhelfen. Preise sind in der Volkswirtschaft ganz wichtige Steuerungsinstrumente – und Zinsen sind letztendlich auch Preise, die sich nach den Marktkonditionen bilden müssen.
Und wie beurteilen Sie den von Grünen-Chef Robert Habeck ins Gespräch gebrachten staatlichen Bürgerfonds zur Verbesserung der Altersvorsorge?
Bley: Die Idee eines Bürgerfonds an sich überzeugt mich nicht wirklich, aber ich finde es wichtig, dass Habeck die richtige Frage gestellt hat. Denn der Staat ist einer der Hauptprofiteure der Niedrigzinsphase und hat damit viele Hundert Milliarden Zinskosten gespart – und wäre jetzt auch der Richtige, um durch Mehrförderung der privaten Altersvorsorge etwas für die Bürger zu tun.