- Steigende Inflationserwartungen, das damit verbundene hohe Risiko einer Lohn-Preis-Spirale und ein weiterhin kräftiges Wachstum der Geldmenge lassen vermuten, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen im Verlauf dieses Jahres weiter erhöhen wird. Dies erklärt der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) in seinem jüngsten Konjunkturbericht. Zweitrundeneffekte könne die EZB nicht tatenlos hinnehmen. Zu verhindern seien diese Effekte, wenn es der EZB gelinge, Gewerkschaften und Unternehmen davon zu überzeugen, dass die derzeit hohen Inflationsraten ein temporäres Phänomen bleiben.
„In dieser Situation handeln Mitglieder des Europäischen Parlaments leider absolut kontraproduktiv, wenn sie das Inflationsziel der EZB mit der Begründung in Frage stellen, der externe Preisschock bei Energie und Nahrungsmitteln sei ohnehin nicht von der EZB zu beeinflussen“, warnt BVR-Vorstand Gerhard Hofmann. Eine Verwässerung des jetzigen Stabilitätsziels führe, so Hofmann, zwangsläufig zu einem Anstieg der Inflationserwartungen und damit zu höheren Inflationsraten. Hofmann: „Die Geldpolitik darf die in der Ölkrise der 70er Jahre gemachten Fehler nicht wiederholen.“ Ein Tolerieren des Anstiegs der Inflationsraten durch die Geldpolitik habe damals massive Zweitrundeneffekte zur Folge gehabt. Das Ergebnis war Stagflation. „Der EZB zu raten, ihren Stabilitäts-auftrag etwas lockerer zu sehen, setzt die Glaubwürdigkeit der EZB aufs Spiel und gefährdet Wachstumschancen sowie Arbeitsplätze im Euro-Raum“, erklärt Hofmann. Die sprunghaft gestiegenen Energie- und Nahrungsmittelpreise bedeuten Kaufkraftverlust für die Verbraucher und höhere Kosten für die Unternehmen. Sie wirken quasi wie eine zusätzliche Steuer – gerade für Bezieher niedrigerer Einkommen. Diese Belastung aber durch eine lockere Geldpolitik oder höhere Tarifabschlüsse überspielen zu wollen, wäre zu kurzfristig gedacht. Längerfristig wären niedrigere Wachstums-raten, Verluste von Arbeitsplätzen und anhaltend hohe Inflationsraten die Folge. Die gesamtwirtschaftlichen Kosten einer konsequenten Stabilitätspolitik sind in jedem Fall niedriger als die einer Stagflation und die eines dann notwendigen Stabilisierungsprozesses. Preisniveaustabilität und nachhaltiges Wirtschaftswachstum sind laut BVR kein Widerspruch. Vor dem Hintergrund steigender Inflationserwartungen und dem Risiko überhöhter Tarifabschlüsse im Euro-Raum habe die EZB offenkundig eine Zinssenkung, wie sie noch bis in den Mai hinein für die zweite Hälfte des Jahres als Möglichkeit erwogen wurde, vorerst ad acta gelegt. Der weitere Kurs der Geldpolitik hängt nach Auffassung des BVR davon ab, ob sich die Befürchtungen überzogener Lohnsteigerungen im Euro-Raum in den nächsten Monaten realisieren. Eine weitere geldpolitische Straffung werde die EZB sicherlich von Hinweisen auf eine beginnende Lohn-Preis-Spirale im Euro-Raum abhängig machen. Der BVR rechnet zwar nicht mit einem Zinsschritt der EZB im August. Eine Straffung der Geldpolitik im weiteren Verlauf des Jahres werde aber immer wahrscheinlicher. Die aktuelle Studie des BVR ist im Internet unter www.bvr.de / Publikationen, Studien/Konjunktur abrufbar.
Bundesverband der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR) Bundesverband der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR)