BVR Volkswirtschaft special 05/2011
- "Den Zeitpunkt für das Einläuten der Zinswende hat die Europäische Zentralbank richtig gewählt", bekräftigt Dr. Andreas Martin, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), die Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) vom Donnerstag. Die Anhebung des Hauptrefinanzierungssatzes von 1,0 Prozent auf 1,25 Prozent durch den Rat der EZB sei konsequent, da sich der Inflationsausblick seit Anfang des Jahres eingetrübt habe, so Martin.
Der Zinsschritt der Frankfurter Währungshüter sei allerdings nur der Auftakt des Zinserhöhungszyklus, betont Martin. Auch nach dem Zinsschritt befinde sich die EZB noch auf einem ausgesprochen expansiven geldpolitischen Kurs. Der zeitige Zinsschritt gebe der EZB dabei den Spielraum, den Zins im weiteren Verlauf des Jahres behutsam Schritt für Schritt in Richtung eines normalen Niveaus anzuheben. Bis zum Ende des Jahres rechnet Martin mit zwei weiteren Zinsschritten auf dann 1,75 Prozent.
Eine allmähliche Erhöhung des Leitzinses sei vorteilhaft, da sich die Verspannungen und Belastungen durch die Finanzmarktkrise noch nicht durchgreifend gelöst hätten. Die EZB könne so ihrem Stabilitätsziel nachkommen, ohne die wirtschaftlich schwächeren Eurostaaten zu überfordern. Eine Normalisierung der Geldpolitik sei sowohl erforderlich, um Preisstabilität zu gewährleisten, als auch um Fehlentwicklungen auf den Vermögensmärkten keinen Vorschub zu leisten. Eine langsamere Gangart solle die EZB nur einschlagen, wenn der Euro auf den Devisenmärkten spürbar an Wert gewinne, da in diesem Fall auch die Inflationsgefahren zurückgingen, so Martin.
Spielräume für schnelleren Haushaltsausgleich in Deutschland nutzen
"Der Zeitpunkt für den geldpolitischen Exit ist da – gleichzeitig ist die Wirtschaftspolitik aber auch gefordert, den Haushaltsausgleich möglichst zügig herbeizuführen“, erklärt Martin. Die verbesserten Wachstumsaussichten in Deutschland ermöglichten eine schnellere Rückführung des Haushaltsdefizits der öffentlichen Hand als bislang geplant.
Nach der Gemeinschaftsdiagnose der Forschungsinstitute sei in diesem Jahr mit einem preisbereinigten Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von 2,8 Prozent zu rechnen, der Bund habe bislang ein niedrigeres Wachstum von 2,3 Prozent unterstellt. Die Hochstufung der Wachstumserwartung sei angesichts der positiven Entwicklung der konjunkturellen Frühindikatoren realistisch.
Martin: "Eine schnellere Konsolidierung trägt nicht nur zu einer möglichst frühzeitigen Rückführung der Schuldenquote bei. Deutschland setzt damit auch gegenüber den europäischen Nachbarstaaten ein wichtiges Zeichen, möglichst rasch den Haushaltsausgleich in die Wege zu leiten und so die Finanzpolitik in Europa wieder auf einen dauerhaft tragfähigen Kurs zu bringen."
Bundesverband der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR) Bundesverband der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR)