Inspirierende Impressionen

Die Förderung von Kreativität in den Regionen erfordert auch kreative Ansätze. Je nach Struktur und Bedarf wählen die Institute der Genossenschaftlichen FinanzGruppe Volksbanken Raiffeisenbanken Aktionen vor Ort aus, starten Kooperationen mit kreativen Köpfen und pflegen ein partnerschaftliches Miteinander mit ihnen. Über den Kreativwettbewerb „jugend creativ“ hinausgehend kommt auch hier das starke Bewusstsein der 915 Institute für die Eigenheiten und Bedarfe ihrer jeweiligen Region zum Ausdruck. Die Identifikation mit den Menschen vor Ort und der Einsatz für ihre Anliegen werden so greifbar.

Der Vielfalt der Initiativen sind dabei keine Grenzen gesetzt. Die Etablierung von hauseigenen Theater performances (Seite 100) steht hier neben innovativen Wald-Aktivitäten (Seite 92) oder Ausstellungen von Werken namhafter Künstler in außergewöhnlichen Räumlichkeiten (Seite 106). Die Liste der Aktionen lässt sich hier beliebig verlängern. Bei der Volksbank Kaiserslautern, der Volksbank Rhein-Lippe und der Volksbank Dresden-Bautzen haben wir uns genauer umgesehen, mit Kreativen und kreativen Förderern gesprochen und eine Fülle inspirierender Impressionen entdeckt.

Naturvielfalt versus Medienmonotonie

Mit den Angeboten der Bürgerstiftung KREAKTIV begeistert die Volksbank Rhein-Lippe Kinder und Jugendliche auf ganz unterschiedliche Weise für die Vielseitigkeit unserer Umwelt. Sie stellt damit das Flimmern und Flackern von Fernseher, PC und Smartphone ganz schön in den Schatten – zumindest für eine Weile.

Gerade mal fünf Minuten, nachdem sich der kleine Tross in Gang gesetzt hat, ruft Jutta Becker-Ufermann: „Halt!“ Einige der Kinder stoppen sofort, Luis und Laurin laufen noch fünf Meter weiter, bis sie sich umdrehen. „Was ist denn?“, fragt Luis, „ich dachte, wir gehen bis zur Lichtung?“ Die Kräuterpädagogin lächelt. Sie zeigt auf den Boden. „Schaut doch mal, hier habt ihr direkt was übersehen – oder kennt ihr diese grünen Blätter nicht mehr vom letzten Mal?“ Die Sieben- bis Neunjährigen, mit denen Jutta Becker-Ufermann gerade eben in den sonnendurchfluteten Aaper Wald in Wesel aufgebrochen ist, scharen sich um die Fläche, die mit kleinen grünen, leicht glänzenden Blättern dicht bewachsen ist. „Weiß nicht mehr“, sagt Emilia, und im selben Moment fällt es ihr doch wieder ein: „Das ist doch das Kraut, das die Seeleute früher immer gegessen haben, damit sie nicht krank werden!“ Die Pädagogin nickt.TEMP „Richtig, das Scharbockskraut gehörte als Reiseproviant auf Seereisen dazu, weil es enorm viel Vitamin C enthält. Die Seemänner hatten ja kein frisches Gemüse und Obst und deswegen mussten sie sich anders behelfen.“

Wald- und Wiesenführerschein

Wieder was gelernt – und weiter geht’s. Die acht Kinder laufen weiter und sind schon bald nicht mehr zu hören. Drei Stunden lang sind sie heute in der Natur, um den Wald- und Wiesenführerschein zu machen. Finanziert wird die Aktion von KREAKTIV, der Bürgerstiftung zur Förderung von Kindern und Jugendlichen, die gemeinsam von Privatpersonen und der Volksbank Rhein-Lippe eG im Jahr 2006 aus Anlass ihres 125-jährigen Bestehens gegründet wurde. Die Bank stellte 125.000 Euro als Stiftungskapital zur Verfügung, weitere Stifter erhöhten das Grundstockvermögen auf insgesamt 143.500 Euro. Jede Zustiftung verdoppelt die Volksbank RheinLippe eG – und unterstützt die Stiftung durch jährliche Geldspenden und Zustiftungen.

Alternativen zur Mediensucht

Der Zweck der Stiftung ist es, sich mit dem Thema Mediensucht auseinanderzusetzen und Alternativangebote im Geschäftsgebiet der Bank – also in der Region Hamminkeln, Hünxe, Voerde und Wesel – zu Computer, Fernseher und Co. zu machen. Die immer intensiver werdende Nutzung der Smartphones stand damals noch gar nicht im Raum. „Wir sehen aber heute, dass wir absolut auf dem richtigen Weg waren und immer noch sind“, sagt Josef Hermsen, der als damaliger Vorstand der Volksbank RheinLippe eG die Bürgerstiftung mitgründete und sie nun als Pensionär ehrenamtlich leitet. Er ist heute mit in den Wald gekommen, um sich die Arbeit wieder einmal aus der Nähe anzuschauen. Er ist begeistert, läuft eine Etappe mit und lernt, wie er sagt, selbst eine ganze Menge.

„Wir sehen heute, dass wir absolut auf dem richtigen Weg waren und immer noch sind.“Josef Hermsen

Auf einer Bank erzählt Hermsen dann, dass sich die Stiftung im Jahr 2016 zum zehnjährigen Bestehen noch einmal neu aufgestellt hat. „Wir haben von der Initiative Bürgerstiftungen, Berlin, zum Jubiläum eine Strategietagung geschenkt bekommen, bei der wir gemeinsam mit Stiftungsrat und Vorstand überlegten, was wir bisher geleistet haben, was wir noch besser machen können und wie wir uns für die Zukunft aufstellen wollen.“ In drei Projektgruppen beschäftigten sich die Projektteilnehmer mit den Themen „Vernetzung mit Kindergärten“, „Vernetzung mit Schulen“ und den eigenen Aktionen. „Ein Ergebnis war, dass wir uns in den kommenden Jahren mehr dafür einsetzen möchten, unterschiedliche Institutionen zu verknüpfen“, erzählt der ehemalige Bankvorstand. Die Anzahl der Projekte, die die Stiftung selbst anstößt, solle dagegen von 40 auf 20 pro Jahr reduziert werden, ohne die Qualität, aber auch die Reichweite TEMP zu verringern. „Wir wollen uns einfach mehr fokussieren.“ Ein Grund dafür sind zum Beispiel die großen Veränderungen im Schulwesen, die durch viel mehr Ganztagsangebote und die Umstellung auf das Abitur nach acht Jahren entstanden sind. „Die Kinder und Jugendlichen haben viel weniger freie Zeit außerhalb der Schulen, sodass es einfach nur passt, wenn wir mit diesen enger zusammenarbeiten.“

Ein weiteres Beispiel ist das Thema „Medien in den Kindergärten“, bei dem die Bürgerstiftung mit rund 30 Institutionen kooperiert und verschiedene Projekttage mit Kindergartenleiterinnen und -leitern veranstaltet. „Bei den Schulen ist das ähnlich: Wir unterstützen beispielsweise das Diakonische Werk bei seiner Arbeit zum Thema Medienkonsum und Mediensucht, indem wir einen Medienparcours finanziell unterstützen. Dieses investierte Geld ist gut eingesetzt, weil wir sehr viele Kinder und Jugendliche damit erreichen.“

Theater-AGs, Bastel-Werkstätten, Aktionstage

Das Stiftungskapital von KREAKTIV beträgt mittlerweile 653.000 Euro. Rund 40.000 Euro, die hauptsächlich aus Zins- und Spendeneingängen resultieren, stehen jährlich für die Erfüllung des Stiftungszweckes zur Verfügung. Hinzu kommt die Arbeit von Claudia Kaßelmann, die heute mit Josef Hermsen in den Wald gekommen ist. „Unser Engagement lohnt sich“, sagt die Geschäftsführerin der Stiftung, die als Sekretärin bei der Volksbank Rhein-Lippe eG angestellt ist und 95 Prozent ihrer halben Stelle für KREAKTIV investiert. „Unsere Bankkunden sind von unserer Stiftungsarbeit sehr begeistert, das hören wir immer wieder.“

Die Stiftung ist in der Region allgegenwärtig, das Angebot ist sehr breit. Zum Bereich Kreativität gehört zum Beispiel eine „Kinder-Mitmach-Show“, bei der im April 2018 rund 300 Kinder – samt Eltern – in der Niederrheinhalle in Wesel bei einem Musical mitwirkten, indem sie von den Zuschauerplätzen begeistert mitsangen und -tanzten. Die Stiftung prämiert zudem Theater-AGs, organisiert BastelWerkstätten und veranstaltet Aktionstage. Dazu kommen die Aufklärungsarbeit in den Kindergärten und Schulen oder sportliche Projekte wie ein Spielund Sportparcours oder „Spaß im Wasser“.

Einen besonderen Stellenwert nimmt aber immer wieder die Natur ein. „Eines unserer Ursprungsprojekte war das Waldforscher-Projekt“, erinnert sich Claudia Kaßelmann. „Unsere Naturprojekte kommen sehr gut an, deswegen setzen wir diese immer weiter fort. Die Kinder lernen dabei nicht nur, sich anders als vielleicht mit Smartphones oder Computern zu beschäftigen, sondern erfahren, was es heißt, die Natur zu achten und zu schützen.“ Mit Jutta Becker-Ufermann, die mit der heutigen Gruppe wieder aus dem Wald aufgetaucht ist, hat die Stiftung dabei genau die richtige Kraft gefunden.

Koboldsuche im Wald

Die gelernte Diplom-Grafikdesignerin und überzeugte Kräuterfrau arbeitet schon seit Jahren und mit wachsender Begeisterung für die Stiftung. „Ich finde die Kinder einfach supertoll, weil sie immer so viel wissen möchten“, erzählt sie, während sie auf einer Lichtung die letzte Aufgabe des Tages vorbereitet – zuvor haben die Kinder schon Kobolde gesucht, sich mit Holzgeweihen in Hirsche versetzt sowie Kräuter und andere Pflanzen bestimmt. Nun stellt sie Fragen, die Ole, Melvin, Thea und Co. beantworten müssen, indem sie jedes Mal ausschwärmen und sich auf die Suche nach Farben, Gerüchen und Tieren machen.

„Es macht mir Spaß, das Wissen über unsere heimischen Wälder weiterzutragen“, sagt sie. Das Programm hat aber noch ganz andere Effekte. Die Kinder können Dinge entdecken, sich frei entfalten und mehr Selbstbewusstsein aufbauen, was ihnen auch in anderen Situationen zugutekommt. Gleichzeitig können sie ihren natürlichen Bewegungsdrang ausleben. Sie rennen herum, springen, klettern. „Das ist natürlich viel gesünder als nur im Zimmer zu sitzen. Gleichzeitig, und das ist wissenschaftlich erwiesen, können sich Kinder, die viel draußen sind, besser konzentrieren.“ Für Jutta Becker-Ufermann ist die Aktion daher in allen Belangen sinnvoll. „Die Mädchen und Jungen nehmen hier ganz viel wahr, können Emotionen ausleben und auch über Gelerntes reflektieren – das ist ein wirklich tolles Projekt.“

Volksbank Rhein-Lippe eG
Bilanzsumme1,37 Milliarden Euro
Kunden69.000
Mitglieder31.624
Geschäftsstellen16
SB-Stellen9
Mitarbeiter der Bank326
Stand 31.12.2017
Diese Zahlen resultieren aus der rückwirkenden Verschmelzung zum 1. Januar 2018 der Volksbank Dinslaken eG und der Volksbank Rhein-Lippe eG.

Bild 1

(Foto: Thorsten Arendt)

Bild 2

Natur pur! Für die Kinder gibt es eine Fülle an Aufgaben zu erledigen auf dem Weg zum Wald- und Wiesenführerschein. (Foto: Thorsten Arendt)

Bild 3

Natur pur! Für die Kinder gibt es eine Fülle an Aufgaben zu erledigen auf dem Weg zum Wald- und Wiesenführerschein. (Foto: Thorsten Arendt)

Bild 4

Claudia Kaßelmann (links), Josef Hermsen, Jutta Becker-Ufermann (rechts) mit den jungen Wald-Aktivisten. (Foto: Thorsten Arendt)

Bild 5

Kompass, Lupe, Zollstock dürfen bei den Waldabenteuern nicht fehlen. (Foto: Thorsten Arendt)

Bild 6

Beobachten, bewerten, notieren: Die jungen Waldforscher bei ihrer Arbeit. (Foto: Thorsten Arendt)

„Wir wollen immer etwas machen, wo ein ganz eigener Sinn dahintersteht.“

Theater in einer Bank? Und das seit 26 Jahren, regelmäßig und mit wechselndem Programm? Dazu eine Probebühne in einem ehemaligen, mit Geldtransportern befahrbaren Riesentresor? In Kaiserslautern ist so etwas nicht unüblich, sondern ein Zeichen für den gelebten Austausch der Volksbank Kaiserslautern mit dem renommierten Pfalztheater. Dessen Intendant Urs Häberli und die Dramaturgin für Schauspiel, Andrea Wittstock, erklären im gemeinsamen Interview mit Karl-Heinz Reidenbach, Vorstandsmitglied der Volksbank Kaiserslautern, warum Kultur und Bank so gut zusammenpassen.

Frau Wittstock, Schauspielerinnen und Schauspieler aus Ihrem Ensemble treten regelmäßig in der Volksbank Kaiserslautern in der „Blauen Stunde“ auf. Ist es nicht seltsam, in einer Bank zu spielen?

Wittstock: Nein, überhaupt nicht. Wir bieten auch an anderen Orten Programm. Dadurch können wir immer mehr Menschen für das Theater begeistern. Schauen Sie sich mal die 30- bis 50-Jährigen an, die ein strapaziöses Berufsleben haben. Die haben so die Möglichkeit, Theater zu erleben – und nehmen sich dann vielleicht auch einmal vor, dass sie doch mal wieder in unser Haus kommen könnten.
Häberli: Für mich ist es auch ganz und gar nicht seltsam. Ich bin immer für eine Öffnung des Theaters nach außen. Das Ganze bekommt so eine ganz andere Ästhetik, die befruchtend wirkt. Genau das schaffen wir mit der „Blauen Stunde“.

Ihre Gäste, Herr Reidenbach, fühlen sich anscheinend wohl. Wie ist es denn zu dieser Zusammenarbeit gekommen?

Reidenbach: Ich habe damals – 1992 – schon in der Bank gearbeitet und konnte die Kooperation so von Anfang an genießen. Das alte Pfalztheater sollte abgerissen werden, ein neues war geplant. Die „Blaue Stunde“ gab es schon seit drei Jahren, nun suchte man einen Ort für die Übergangszeit. Wir haben angeboten, dass die Abende einmal im Monat in unserer Kundenhalle stattfinden können. Natürlich hatten wir da auch die Idee, dass wir so auch Nichtkunden in die Bank ziehen können. Aber das stand nicht im Vordergrund.

Gab es denn schon vorher Kontakt zum Theater?

Reidenbach: Der jeweilige Vorstand unseres Instituts und der Intendant des Pfalztheaters standen schon immer in engem Kontakt. Die Bank hat auch die Gründung der Pfalztheater-Stiftung mitinitiiert. Das liegt zum einen an den Personen, die immer reges Interesse an der Kultur hatten. Aber es hat auch einige strukturelle Gründe. Unsere Region ist nicht auf Rosen gebettet, was sich auch in der Kultur zeigt. Deswegen haben wir immer geholfen, wo es passte – und dazu gehören eben auch die großen Institutionen wie das Pfalztheater und das Museum Pfalzgalerie.

Herr Häberli, wie wichtig ist für Sie als Intendant diese Unterstützung?

Häberli: Die Kooperation besteht ja schon lange, weit bevor ich vor sechs Jahren im Pfalztheater angefangen habe. Die Volksbank ist ein sehr verlässlicher Partner für uns. Das zeichnet unsere Zusammenarbeit auch aus. Uns geht es nicht so sehr um finanzielle Unterstützung, weil wir, vom Bezirksverband Pfalz getragen, wie jedes Theater gut bezuschusst werden und damit einen guten Etat haben. Wir freuen uns aber über Unterstützung auf anderer Ebene. Da haben wir hier mit der Volksbank sehr viel Glück gehabt.

Was genau meinen Sie damit?

Häberli: Für uns ist der Austausch mit der Stadtgesellschaft enorm wichtig. Wir leben in einer kleinen Stadt, da ist die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen essenziell, um gemeinsam gute Kultur machen zu können.

Findet der Austausch auch andersherum statt?

Reidenbach: Auf jeden Fall. Wir haben zum Beispiel unser Bankjubiläum oder andere größere Feste im Pfalztheater gefeiert. Die Künstler aus dem Theater haben den Abend gestaltet. Das war wirklich sehr schön.

Mittlerweile spielt die „Blaue Stunde“ aber nicht mehr in der Kundenhalle. Warum?

Reidenbach: Wir haben 2006 unsere Kundenhalle umgebaut und hatten ein halbes Jahr zuvor das Gebäude der ehemaligen Landeszentralbank gekauft. Dort gab es ein Casino – eine Art Kantine – das wir nicht nutzen konnten und wollten. Wir haben dann das Theater gefragt, ob sie für die Bauzeit einverstanden sind, wenn wir die „Blaue Stunde“ im Casino veranstalten.
Häberli: Das hat für uns super gepasst, weil der Raum eine gute Größe und Akustik hat. Gemeinsam haben wir dann gesagt, dass wir gerne hier weitermachen wollen. Und dabei haben wir gleich noch einen weiteren Raum für uns entdeckt.

Reidenbach: Das stimmt. Wir hatten hier im Haus den zweitgrößten Tresor in Rheinland-Pfalz, mit einer riesigen Schleuse, in die Geldtransporter hineinfahren und drinnen sogar wenden konnten. Den hatten wir zuerst an ein Geldtransportunternehmen vermietet, dann als Magazin für ein Museum während dessen Umbau verwendet und haben uns dann an die Institutionen hier in Kaiserslautern gewendet.
Wittstock: Für uns war das ein Glücksfall. Der Raum ist ungefähr so groß wie unsere Hauptbühne, sodass wir Stücke hier 1:1 proben können. Gleichzeitig hat uns unsere eigene Probensituation nie glücklich gemacht.

Was ist daran falsch?

Wittstock: Der Neubau unseres Theaters ist aus Platzgründen sehr schlank geraten, sodass wir neben unserer eigenen Probebühne und der Werkstattbühne immer schon externe Räume nutzen mussten. Wir haben mit unseren Sparten Musiktheater, Tanztheater, Schauspiel und Kinder- und Jugendtheater 25 Premieren pro Jahr, rund 400 bis 450 Aufführungen und Konzerte sowie ungefähr 400 theaternahe Veranstaltungen. Da braucht man auch Platz zum Proben.
Häberli: Als wir ins Gespräch mit der Volksbank kamen, waren wir direkt begeistert. Der Raum ist in zehn Minuten zu Fuß vom Theater zu erreichen. Unsere Mitarbeiter können schnell in die Schneiderei zu Anproben oder auch in die Kantine, was die Kommunikation viel einfacher macht.
Wittstock: Ich möchte das noch verstärken, indem ich das Gegenteil sage (lacht). Die Probe hier in der Bank ist auch eine tolle Gelegenheit, mal etwas weiter weg vom Theater zu sein. Man bekommt nicht alles mit und kann konzentriert arbeiten.

Noch einmal zurück zur „Blauen Stunde“: Was ist so besonders an dem Format?

Wittstock: Die Künstler sind nicht an ein vorgegebenes Programm gebunden. Sie können umsetzen, was sie wollen. Das gibt ihnen große Freiheit und macht auch enorm viel Spaß. Das Publikum erwartet genau das und freut sich auf die Überraschungen.

Wie sehen diese aus?

Wittstock: Meine Kolleginnen und Kollegen haben schon Auszüge aus Éric-Emmanuel Schmitts „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ gelesen, Romanteile von Heinz Strunk oder auch literarische, skurrile oder witzige Texte zum Thema Essen. Ich habe aus Anlass der Premiere von Rossinis Oper „La Cenerentola“, die auf „Aschenputtel“ beruht, Märchen vorgetragen. Die Vielfalt ist also riesig.

Häberli: Diese Freiheit mögen die Zuschauer sehr. Viele kennen unsere Schauspieler aus den Stücken und finden es sehr spannend, wenn sie diese mal in anderen Zusammenhängen sehen. Es war eine weise Entscheidung, die „Blaue Stunde“ nicht zwingend an den Spielplan anzudocken, sondern die Leute kreativ damit umgehen zu lassen.

Herr Reidenbach, besuchen Sie denn oft die „Blaue Stunde“?

Reidenbach: So oft es passt. Die „Blaue Stunde“ finde ich auch privat sehr interessant, weil ich – obwohl ich Stammgast im Theater bin – hier eine ganz andere Erfahrung machen kann. Auch andere erfahrene Theatergänger kommen gerne zu unseren Veranstaltungen, weil sie hier sehr nah dran sein können. Sie sehen die Gestik und Mimik aus nächster Nähe und bekommen so einen anderen Zugang.

Wie passt die „Blaue Stunde“ in Ihr sonstiges Sponsoring?

Reidenbach: Wir wollen immer etwas machen, wo ein ganz eigener Sinn dahintersteht. Insgesamt geben wir aus den Mitteln unseres Gewinnsparens und aus den Ausschüttungen der bankeigenen Stiftung rund 100.000 Euro an Spenden. Wir engagieren uns auch für Soziales wie ein Kinderhospiz oder Seniorenheime oder auch für den Sport. Insgesamt haben wir rund 70 eigene Veranstaltungen, viele davon in der Kultur.

Der Schwerpunkt ist also klar.

Reidenbach: Die Kultur hat auf jeden Fall einen hohen Stellenwert. So veranstalten wir seit 1986 auch eigene Ausstellungen, in denen wir bildenden Künstlern ein Forum bieten. Anfangs war das noch ganz klein. Es ist aber immer bekannter geworden. Sowohl die Ausstellungen als auch die „Blaue Stunde“ sind aus dem Kulturleben in Kaiserslautern und in der Region nicht mehr wegzudenken.

Volksbank Kaiserslautern
Bilanzsumme1,34 Milliarden Euro
Kunden57.995
Mitglieder31.932
Geschäftsstellen (inkl. SB-Standorte)23
Mitarbeiter der Bank270
Stand 31.12.2017

Bild 1

Urs Häberli (Foto: Thorsten Arendt)

Bild 2

Andrea Wittstock und Karl-Heinz Reidenbach (Foto: Thorsten Arendt)

Bild 3

Bretter, die die Welt bedeuten – und das mitten in der Bank: die Probebühne des Pfalztheaters in den Räumen der Volksbank Kaiserslautern. (Foto: Thorsten Arendt)

„Wir wollten der Bank ein Gesicht geben.“

Mehr als 90 Ausstellungen mit über 320 Künstlern: Die Volksbank Dresden-Bautzen eG öffnet ihren Stammsitz, die Villa Eschebach, seit Mitte der 1990er-Jahre für die Kunst und damit auch für die Öffentlichkeit. Welchen Stellenwert Kultur für die Bank hat, wie lohnenswert das Engagement ist und war um Kunst und ein Geldinstitut hervorragend zusammen passen, darüber diskutierten wir mit Vorstandssprecher Thomas Müller und den kuratorisch wie organisatorisch verantwortlichen Pressesprechern der Bank, Dieter Hoefer (bis 2017) und Thomas Lohse.

Herr Müller, warum organisieren Sie seit mehr als 20 Jahren Ausstellungen in Ihrer Bank?

Thomas Müller: Die kurze Antwort: Weil Kultur enorm wichtig ist, für die Menschen, für unsere Mitarbeiter, aber auch für die Stadt und die Region – erst Recht für Dresden als traditioneller Residenzund Kulturstadt.

Und wie lautet die lange Antwort?

Müller: Dafür muss ich etwas ausholen. Als ich Anfang der 1990er-Jahre hier in den Vorstand berufen wurde, war die Volksbank Dresden als vormalige Genossenschaftskasse für Handwerk und Gewerbe der DDR mit gerade mal 1.000 Mitgliedern sehr klein. Wir haben damals überlegt, wie wir uns langfristig positionieren und der Bank ein Gesicht geben könnten. Mitte der 1990er-Jahre haben wir dann die marode Villa Eschebach in der Dresdner Neustadt übernommen und zu unserem Sitz ausgebaut.

Damit waren aber doch nicht zwangsläufig Kunstausstellungen verbunden?

Müller: Wir hatten ein wirklich repräsentatives und geschichtsträchtiges Haus bekommen, das wir nach der Sanierung nicht nur mit Bankgeschäften, sondern auch mit Kultur füllen wollten. In Dresden muss man so ein Haus öffnen und die Menschen teilhaben lassen. Unser damaliger Vorstand Peter Kahlert kam auf die Idee, dafür wechselnde Ausstellungen zu veranstalten.

Und das hat von Anfang geklappt?

Dieter Hoefer: Nein, das ging erst einmal schleppend los. Viele aus der Kunstszene dachten, dass wir uns nur mit ihnen schmücken wollten. Diese Abneigung ist nachvollziehbar. Sie zu durchbrechen, war harte Arbeit. Nach wenigen Jahren, als die Szene merkte, dass wir es ernst meinen, hat sich das geändert. Unser Name „Villa Eschebach“ ist heute bekannt, sodass wir die öffentlichen Museen oder Galerien anrufen und um Leihgaben bitten dürfen.

Wie haben Sie die Künstler ausgesucht?

Hoefer: Nach fünf bis zehn Ausstellungen war klar, welche Richtung wir einschlagen wollten. Wir haben drei Säulen entwickelt: Künstler, die um 1900 geboren waren und zwei Kriege sowie mehrere politische Systeme durchleben mussten, die sogenannte verlorene Generation. Künstler, die um 1950 geboren wurden, in der DDR wegen ihrer Haltung oft Probleme hatten und sich nach der Wende plötzlich in einer gesamtdeutschen Szene behaupten mussten. Und Künstler aus der jungen Generation – zwischen 25 und 35 Jahre alt mit einer starken Beziehung zur Region. Die Mischung macht es aus – das finden die Besucher spannend.

Welchen Bezug haben Sie selbst zur Kunst?

Hoefer: Ich hatte schon in der Schule einen Kunstlehrer, der mich stark geprägt hat. Meine Eltern standen dem sehr offen gegenüber und haben mich machen lassen. Ich wollte Kunstgeschichte studieren, aber das hat leider nicht funktioniert. In der DDR hätte ich dazu die richtigen Beziehungen haben müssen oder mein Vater hätte schon ein bekannter Künstler sein müssen. Außerdem kam er nicht aus der Arbeiterklasse und das war in der DDR von Nachteil.

Was haben Sie dann gemacht?

Hoefer: Ich lernte Facharbeiter für Elektronische Datenverarbeitung und studierte nach der Armee im Fernstudium. Meinen Abschluss zum Diplom-Ingenieur-Ökonom machte ich an der TU Dresden. Hier gab es traditionell eine starke Kunst- und Kulturszene. In dieser Zeit war ich Mitglied in einem Jugendclub der Kunstsammlungen und habe dort viele Künstler, Museumsdirektoren, Ausstellungsmacher kennengelernt.

Bis zum Kurator eigener Ausstellungen war es aber weit, oder?

Hoefer: Nach der Wende stand für uns alle die Frage an, was nun aus uns werden sollte. Ich habe mich bei der Bank beworben, weil ich dachte, das ist etwas Sicheres. Ab 1990 habe ich dann die gesamte Computertechnik aufgebaut und geholfen, das DDR- auf das Westbankensystem umzubauen. Schließlich bin ich in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und im Marketing gelandet – Kommunikation und Medien hatten mich schon immer interessiert.

Herr Lohse, Sie übernehmen nun die Aufgabe von Herrn Hoefer. Woher kommt Ihr Interesse an der Kunst?

Lohse: Ich komme ja auch aus einer ganz anderen Richtung. Nach dem Studium der Informationstechnik und meinem Diplom in der Wendezeit gab es in dem Bereich keine Jobs. Ich habe ein Aufbaustudium Marketing und Management gemacht und bin hier in der Bank angekommen. Über die Zeit habe ich mich immer stärker für die Kunst interessiert, Ausstellungseröffnungen besucht, selbst Arbeiten gekauft. Mich interessieren tatsächlich alle Kulturgattungen, von der Musik bis zur bildenden Kunst. Ich arbeite mich da gerne hinein, verstehe, wovon die Künstler sprechen, wenn sie von ihrer Kunst erzählen. Kultur erlaubt immer eine besondere Gesprächsebene, das habe ich über die Jahre privat, aber auch hier im Haus erlebt.

Werden Sie etwas Einschneidendes verändern?

Lohse: Ich setze auf Kontinuität. An manchen Stellen wird die Aufgabe gar nicht so einfach, weil wir schon so viele Ausstellungen hier umgesetzt haben. Da muss man sich auf eine intensive Suche machen. Ich werde auch einen Blick auf das neue Geschäftsgebiet der Bank, die Lausitz, werfen, die nach der Fusion mit der Volksbank Bautzen dazugekommen ist. Ich bin auch schon sehr gespannt auf die 100. Ausstellung, die wir für den Sommer 2020 planen. Das soll etwas Besonderes werden.

Herr Hoefer, in mehr als 20 Jahren haben Sie jedes Jahr vier Ausstellungen organisiert. Das ist eine ungeheure Bandbreite. Können Sie das einmal in Zahlen fassen?

Hoefer: Bei jeder Vernissage sind so ungefähr 40 bis 100 Arbeiten zu sehen. Über die Jahre haben wir so 5.000 Kunstwerke ausgestellt, von insgesamt über 320 Künstlern, in 70 Einzel- und fast 20 Gruppenausstellungen.

Macht das nicht unglaublich viel Arbeit?

Hoefer: Wenn man die Besuche bei den noch lebenden Künstlern in den Ateliers, bei Vernissagen oder in den Galerien rechnet, die Pressearbeit und natürlich die Hängung der Ausstellung hier in der Bank sind es ungefähr zwei Arbeitswochen pro Vierteljahr. Das geht nur, wenn der Vorstand und Aufsichtsrat dahinterstehen. Für die Künstler funktioniert das auch nicht anders: Wir kümmern uns sehr um sie, mit unserem Engagement, aber auch mit einer fairen Bezahlung. Wir kümmern uns um den Transport, den Laudator und die Musiker am Abend, auch um das Essen und die Getränke. Außerdem verkaufen die Künstler bei unseren Ausstellungen oder danach meistens sehr gut und wir nehmen keine Provision. Den Aufwand muss eine Bank erst einmal auf sich nehmen.

Haben Sie nie an dem Konzept gezweifelt?

Müller: Nein, nie. Als genossenschaftliche Bank helfen wir nicht nur unseren Mitgliedern und Kunden zu wirtschaften, sondern müssen uns auch regional engagieren. Im Jahr investieren wir rund 20.000 Euro für die Ausstellungen, dazu kommt natürlich noch unsere Arbeitskraft. Wenn wir das betriebswirtschaftlich betrachten, und das müssen wir als Bankleute, lohnt es sich: Die Kunst schafft sehr viel Aufmerksamkeit für uns und bringt eine gute Umwegrentabilität, wenn man es so nennen möchte. Denn eins ist klar: Es funktioniert nicht so, dass die Besucher nach der Ausstellung ein Girokonto eröffnen.

Wie passen die Ausstellungen in Ihr sonstiges Engagement?

Müller: Wir engagieren uns klar in der Region, im sozialen Bereich, im Breitensport und in der Jugendförderung, aber eben auch viel in der Kultur. Dafür geben wir rund 1 Million Euro aus.

Herr Hoefer, Sie sind mit der 90. Ausstellung in den Ruhestand gegangen. Wie hat sich das angefühlt?

Hoefer: Ich bin mit einem lachenden und einem weinenden Auge gegangen. Die 90. Ausstellung stand unter dem Titel „WIEDER I SEHEN“ und hat 40 Künstlerinnen und Künstler vereint, die heute noch tätig sind. Die Auswahl habe ich sehr mit Bedacht getroffen, es waren alles Menschen, mit denen ich besonders gut zusammengearbeitet habe. Natürlich werde ich die Ausstellungen vermissen, habe aber ja privat noch viel Zeit, mich mit der Kunst zu beschäftigen. Und das werde ich auch machen – und sicherlich auch die Ausstellungen hier mit Begeisterung besuchen.

Volksbank Dresden-Bautzen eG
Bilanzsumme1,92 Milliarden Euro
Kunden1 1 6 . 0 9 4
Mitglieder43.729
Geschäftsstellen34
Mitarbeiter der Bank380
Stand 31.12.2017

Bild 1

Thomas Müller (Foto: Thorsten Arendt)

Bild 2

Thomas Lohse (links) und Dieter Hoefer (Foto: Thorsten Arendt)

Bild 3

(Foto: Thorsten Arendt)